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Was ist Zufriedenheit eigentlich und welche Rolle spielt diese beim Produzieren von Content? Denn vermutlich lässt sich alles und jede/r, immer und überall verbessern. Kann somit überhaupt ein Zustand erreicht werden, der uns zufrieden sein lässt? Können wir darüber einfach selbst urteilen und sollten wir uns das überhaupt trauen? Bin ich zum Beispiel mit meinem Blog glücklich und zufrieden und sollte ich das auch selbst beurteilen? Und wen interessiert das schon…?
Selbstbewusst rücken Dunning und Kruger die verzerrte Wahrheit zu Lasten der Selbstüberschätzten zu recht
Bevor ich mir über die Zufriedenheit mit meinem Blog Gedanken mache, frage ich mich:
Ist das in Ordnung, wenn ich selbst über meinen Content, dessen Veröffentlichung und meine damit verbundene „Friedensfindung“ urteile?
Generell beschleicht mich das Gefühl, dass die Reflexion auch eine Art Überheblichkeit darstellt und viel weniger mit Demut als mit Selbstüberschätzung zu tun hat. Denn ich denke, es sollen andere, möglichst fachkundigere oder erfahrenere Personen über meine Produkte und ihre Qualität entscheiden. Ich selbst könnte dem Dunning-Kruger-Effekt zum Opfer fallen und viel Halbwissen und Inkompetenz würden das Urteil beeinflussen. Doch wenn andere sich ein Urteil zumuten, darf ich diese auf die Probe stellen: Wissen und Erfahrung aber auch Selbstvertrauen spielen an dieser Stelle eine große Rolle!
Leider verhält es sich mit dem Wissen und der Erfahrung in Verbindung mit dem Selbstvertrauen oftmals nicht so gut. Dunning und Kruger bemerkten den Effekt, dass Un- oder Halbwissende oftmals auch ein hohes Selbstbewusstsein mit sich bringen. Erst wenn sich diese intensiver mit einer Materie, Fragestellung oder Herausforderungen beschäftigen, sinkt gleichzeitig deren Selbstbewusstsein, da mit den tiefergehenden Analysen und plötzlich aufkommenden Herausforderungen das Gefühl aufkommt, nichts zu wissen. Aber mit zunehmenden Interesse für das Verständnis von Sachverhalten und dem diesbezüglichen Lernen steigen die Erfahrungen und das Wissen wird vertieft. Daraus resultiert wiederum ein größeres Selbstvertrauen, da sich die „Wissenssicherheit“ zu einem Thema manifestiert. Man erlangt nun, neben viel Erfahrung und faktischen Wissen, auch Selbstvertrauen.
Dieser gesamte Prozess bedarf jedoch einer gehörigen Portion Mut (und ironischerweise auch Selbstbewusstsein!), denn man muss zumindest seine eigenen Ansichten in den Hintergrund stellen oder noch besser: sich ganz davon befreien. Das ist kein einfacher aber sehr gewinnbringender Vorgang – sowohl persönlich als auch fachlich.
Warum du dein eigener Feind sein solltest und das Ausbleiben von Bestätigung auch ein Ziel sein kann
Oftmals beginnt der Prozess von gewonnenem Selbstvertrauen mit dem Aneignen von Wissen. Dabei dürfen wir aber nicht nach Bestätigung suchen, denn mit dem Dunning-Kruger-Effekt ist auch der Confirmation-Bias eng verbunden.
Das Leben lehrt uns Erfahrungen und an diesen orientieren wir uns. Unberücksichtigt bleibt allerdings, dass sich die Welt sozusagen oftmals langsamer oder schneller dreht, als wir es tun und andere Menschen auch verschiedene Erfahrungen machen. Zudem machen sich viele Menschen über ein bestimmtes Thema, welches wir in unserem Leben aus Zeitmangel, Desinteresse oder auch einfacher Unberührtheit rasch als Meinung abtun, viel mehr Gedanken. Sie betreiben Wissenschaft und schaffen daher Wissen! An dieser Stelle sei angemerkt: T R U S T I N S C I E N C E ! ! !
Dafür muss man einen besonderen Denkfehler, sozusagen die Mutter der Denkfehler, beachten und diesem entschieden entgegentreten. Der Confirmation Bias lässt uns nach der Bestätigung unserer Meinung suchen, was ein fatales Ende nimmt, denn wir landen wieder bei unserer Meinung, anstatt Wissen über ein aktuelles oder präsentes Thema, wie zum Beispiel Pandemie, Virus, Energie, Mobilität oder Klima, zu generieren.
Beispielsweise lässt sich dies anhand von Social Media erläutern: Wir melden uns bei einer Plattform an und geben unsere Daten und Interessen bekannt. Der Algorithmus wird uns Content vorschlagen, welcher uns gefällt. Denn umso eher werden wir die Plattform mögen und der Plattform-Betreiber seine Ziele erreichen – seien diese politisch, finanziell oder gar beides. Suchen wir als beispielsweise nach einem bestimmten Thema, wird uns der News Feed Content vorschlagen, der unserem (Welt-)Bild entspricht. Wir fühlen uns und vor allem unsere Meinung bestätigt und sehen uns daher wieder auf der „richtigen“ Seite.
Dass wir Hochstapler sein könnten, kommt uns gar nicht erst in den Sinn, weil wir ja unserer Meinung nach die Wahrheit vertreten. Aber wer sind dann die Hochstapler? Ja, genau: die anderen! Der Konflikt mit anderen ist leicht zu gestalten und der einfache Weg. Dem größten und mächtigsten Herausforderer begegnen wir meist, wenn wir uns selbst im Wege stehen.
Wenn der Hochstapler sich selbst betrügt und die Wahrheit belügt
Wir betrügen uns manchmal selbst, wenn wir zu einem bestimmten Thema zwar viel wissen, fähig und kompetent genug sind, beispielsweise Umsetzungen zu Ende zu bringen, aber dennoch die Zurückhaltung über uns siegt und wir anderen den Vortritt lassen. Oft von Kind an glauben wir, dass wir zu unwichtig sind, weil wir das zum Beispiel in und von unserer Umgebung gelernt haben. Wir halten uns und schlussendlich auch unseren Beitrag, Input oder Output zurück. Denn der Glaube, dass das Desinteresse der anderen enorm groß ist, vor allem an dem was wir zu sagen haben, überwiegt: „Was ich zu sagen habe, interessiert doch niemanden!“
Dieses Denken nennt sich Impostor-Phänomen. Dabei erkennen wir unsere eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen nicht (an). Gleichzeitig glauben wir, andere zu betrügen. Wir denken, dass man uns als Hochstapler entlarven könnte, welche wir de facto und ad rem nicht sind.
Gewissermaßen könnte man das Impostor-Phänomen als das Gegenteil des Dunning-Kruger-Effekts darstellen: Die einen wissen viel und reden nicht. Die anderen reden viel und wissen nicht(s). Der Confirmation-Bias hilft leider beiden Betroffenen. Zudem kann dieses Phänomen für Betroffene sehr gefährlich werden und in einem Burnout-Syndrom und/oder einer Depression enden. Um dem entgegenzuwirken, gilt es, die negativen Gefühle den Fakten gegenüber zustellen und beim Perfektionismus etwas einzusparen – dann klappt es auch mit der Zufriedenheit. Am besten gelingt dies in schriftlicher Form: vielleicht in einem Blog…?
Zufriedenheit ist das Ideal und ihre Abwesenheit die Realität
Denke lieber an das, was du hast, als an das, was dir fehlt! Suche von den Dingen, die du hast, die besten aus und bedenke dann, wie eifrig du nach ihnen gesucht haben würdest, wenn du sie nicht hättest.
Marcus Aurelius
„Wege zu sich selbst“ („Selbstbetrachtungen„) schrieb der berühmte Stoiker Marcus Aurelius und zählt mit diesem Werk zur heutigen Weltliteratur. Dabei untersuchte er die eigene Vernunft, seine Orientierung hin zum Gemeinwohl und auch sein Denken und Handeln. Stets war die Zufriedenheit das letztendliche Ziel im Leben, was der römische Kaiser in seinen Werken vermutlich auch vermitteln wollte.
Die Zufriedenheit lässt sich als Summe von unseren
- Erwartungen
- Handlungen und
- Erlebnissen
beschreiben. Sie stellt sozusagen das Maß dar, welches die Abweichungen dieser drei Argumente widerspiegelt. Erwarten wir viel, setzen erfolgreiche Handlungen und erleben Freude beim Umsetzen, sind wir zufrieden – also ein idealer Moment. Haben wir hohe, vielleicht sogar unerreichbare Ziele, handeln erfolglos und sind von unseren Misserfolgen geplagt, bleibt die Zufriedenheit aus. Doch wie real ist das Erreichen von Zufriedenheit, wenn unsere Erwartungen, Handlungen und Erlebnisse auch von anderen und unserer Umgebung beeinflusst werden? Die Realität ist vermutlich das Ego der Zufriedenheit und somit ihr größter Feind.
Viele Wenig machen ein Viel und urteilen über das Einzelne
Das Urteil über das Managen, Produzieren des Contents meines Blogs überlasse ich vor dem Hintergrund des Dunning-Kruger-Effekts, Confirmation-Bias und Impostor-Phänomen weit besseren Persönlichkeiten: meinen ProfessorInnen, KommilitonInnen und allen ExpertInnen für Content Strategie. Und über die Zufriedenheit mit dem publizierten Content dürfen meine LeserInnen und KritikerInnen sich ein Urteil bilden.
Für das Urteil über die Zufriedenheit mit meinen Blog selbst, müsste ich zuvor (m)eine Qualität bestimmen, welche mich über die Grenze von Zufriedenheit und Unzufriedenheit aufklärt. Und auch diese und viele andere Grenzen müsste ich für mich selbst setzen, um mir über die Zufriedenheit mit meinem Blog im Klaren zu sein.
Betrachte ich das Zufriedensein wie Wasser, so ist es äußerst anpassungsfähig, aber in seinem Kern unverändert – auch Content muss das erfüllen. Der Fokus und die Grenzen müssen daher definiert sein. Dann werde ich daraus lernen, mich tiefer mit der Materie der Zufriedenheit befassen, weiteres Selbstvertrauen gewinnen und dem Dunning-Kruger-Effekt ausweichen. Das System rund um meine Zufriedenheit ist also groß und lässt mich zweifeln, ob die Frage danach so rasch und einfach beantwortet werden kann. Vermutlich müsste ich zuvor das beeinflussende System analysieren.
Summa summarum kann und will ich nicht einfach sagen, dass ich mit meinem Blog zufrieden bin, daher bin ich wahrscheinlich unzufrieden. Und um dem Confirmation Bias zu entgehen, werde ich die Unzufriedenheit mit meinem Blog betrachten, um vielleicht mit der Zeit Zufriedenheit mit diesem zu erlangen.
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